In Amritsars Altstadt…Gedanken zu einem modernen (ewigen) Indien

In Amritsars Altstadt, bevor man den verzierten Park und den viktorianischen Uhrturm vor dem Goldenen Tempel erreicht, findet man wie oft in indischen Städten ein Stück Vergangenheit, übersehen, vergessen oder bloß noch nicht durch neumodische und häßliche Betonblöcke ersetzt. Man muss nur den Kopf in den Nacken legen und durch das Dickicht an Stromleitungen blicken, um alte Holzbauten zu sehen, filigrane Fenster, die ideal an das heiße Klima (wenn auch nicht an die Abgase der Autos) angepasst scheinen und hinter denen man oft die Farben vorbeistreichender Saris sehen kann. Eine Erinnerung an eine Welt, in der spielvolles Geheimnis und Privatraum einhergingen und in der die Gassen noch nicht von Motorenlärm erfülllt waren.

Heute, in der ungeduldigen Welt, verblassen die Holzbauten von Amritsar, werden wohl bald verschwinden während Indien seine unaufhaltsame Amerikanisierung und Re-Urbanisierung fortsetzt und alles alte, verachtete mit Shopping Malls und Kondos ersetzt. Restaurierung und Nostalgie haben im heutigen Indien keinen Platz – was nicht nützlich ist, wird durch nützliches ersetzt. Was sehr nützlich ist, wird in weniger nützlicher Form tausendfach kopiert. Magische Ecken muss man sich suchen, manchmal mühsam erarbeiten. Das Chaos überlädt vielleicht die Sinne von Neuankömmlingen, aber irgendwann gewöhnt sich selbst der rastloseste Geist daran und sucht nach dem Schönen und Geheimnisvollen.

Indien ist eine uralte, aber auch eine zutiefst ungeduldige Kultur. Der  Weise und Geduldige ist dort so rar wie an jedem anderen Ort. Indien scheint heute auch in seltsamem Unfrieden mit sich selbst zu sein. Wachstum wird aggressiv, fast süchtig verfolgt und viele junge Menschen brechen mit ihrer Vergangenheit, sprechen mit fast unverhohlener Feindlichkeit oder Verachtung über die Väter der jungen Nation. Indien mag alt sein, für einen westlichen Menschen, der ein Land durch seine Geschichte betrachtet und misst, aber die meisten Inder haben es gerade einmal geschafft, das lange Stigma der Kolonialisierung abzuschütteln. Kaum geboren und vielleicht deshalb so aggressiv, so süchtig danach erfolgreich zu sein.

Nach langen Jahrhunderten als Kolonie konnte sich der Staat im Postkolonialismus nur langsam behaupten. Segregationsbestreben gab es immer und wird es in Indien auch immer geben, auch wenn sie oft nur dem Namen nach verfolgt werden. Einheit gab und gibt es genauso, sei das nun über ein Cricketmatch oder den Soundtrack eines Bollywoodfilms oder über indische Archetypen.

Die indische Mittelschicht, die ist neu, Resultat des Aggresiven und des Drängens. Sie sind die Wollenden, die Ungeduldigen und die, die zur erstbesten Lösung greifen. Aber sie sind auch die, die Indien umgestalten wollen; in vielen Fällen westlicher machen wollen, aber in manchen auch nach ganz eigenen, indischen Lösungen suchen. Was diese Menschen machen und wie sie die Zukunft des Landes mitbestimmen werden, das bleibt zu sehen. Viel mehr Altes wird verlorengehen in Indien und bald wird das Bild des Reisenden, der in Indien nach einer anderen Welt sucht und sie finden kann, so mythisch sein wie das des 68ers, der dort sein Paradies an Hasch und Spirit entdecken konnte.

Das moderne Indien steckt in einer tiefen Identitätskrise, so viel scheint sicher. Krisenresistente Wirtschaft? Vielleicht. Klare Ziele für die Zukunft? Nein. Mehr Vielfalt in Einheit? Oder Einfalt in Vielheit? Oder beides? Oder alles? Indien hält so vieles an Faszination und Möglichkeit, aber wenn die Mentalität des Haben, Wollen und Müssen so weiter bestehen bleibt, wird es bald vielleicht noch weniger von dem Indien der westlichen Vorstellung geben als es ohnehin schon der Fall ist.

Nicht, dass das etwas ausnehmend Schlechtes ist. Veränderung ist immerhin unaufhaltsam. Eine eigene Identität, die hat Indien doch auch schon lange. Sei sie in dem alten Mann, der mir mit einer kindhaften Freude das orangefarbene Tuch um die Haare knüpft (unbedeckten Hauptes darf man den Goldenen Tempel nicht betreten) oder in dem selbstsicheren Sikh Mädchen,kaum halb so groß wie ich, das mir bestimmt den Guru ka Langkhar, die Speisehalle des Tempels, zeigt. Vielleicht schaue ich einfach zu lange in die falsche Richtung und verlange Einheit, wo nur Individualität ist…vielleicht stellt sich Indien vor meinen Augen wieder einmal auf den Kopf oder vielleicht brauche ich nur wieder zu lange um zu bemerken, dass ich selbst auf dem Kopf stehe.

In Amritsars Altstadt wird das Alltägliche selbst wieder zum Geheimnisvollen, wenn man die Geduld aufbringen kann, es als solches zu sehen.

Image Selection – Himachal Pradesh by Sylvain Durand

Another selection of images from a colleague and friend of mine – Sylvain Durand, educated painter and self taught photographer from Dijon.

Food is a communal affair in this small village, near Manali. Women, Men and Children sitting together, eating together – they do not possess much, but the rice bowl is one of their treasured posessions. | Gegessen wird in diesem kleinen Dorf in der Nähe von Manali gemeinsam. Frauen, Männer und Kinder sitzen beisammen. Die Menschen hier besitzen nicht viel, aber die Reisschale zählt zu ihren wertvollsten Besitztümern.

The style of houses is unique to the areas around Sarahan and Reckong Peo, where amazingly detailed woodworks like no other in India can be found (although it certainly is not the topic of conversation of those two ladies). | Diesen Baustil findet man nur in dem Gebiet um Sarahan und Reckong Peo – er charakterisiert sich vor allem durch wunderbar detaillierte, in Indien beispiellose Holzarbeiten (den Frauen, versunken in ihrem Gespräch, ist das natürlich gleich…).

The strong Tibetan influence makes some regions in the Western Himalayas almost “more Tibet than Tibet”. | Der starke tibetische Einfluss im westlichen Himalaya macht manche Regionen “tibetischer als das heutige Tibet”.

Kungri Monastery held one of the biggest festivals, gathering almost two thousand people from the outlying villages. The surroundings are, as you can see, utterly stunning. | Die unglaubliche, aber menschenleere Landschaft rund um Kungri macht es umso erstaunlicher, dass sich zu diesem Festival knapp zweitausend Menschen zusammengefunden haben.

Image Selection – Dharamsala by Simon Villiger

This image selection is a choice of images from my friend, the Swiss photographer Simon Villiger, who has travelled, photographed and recorded sights and sounds of India extensively.

Two monks on their morning stroll through Jogiwara Road. | Zwei Mönche auf ihrem Weg durch Jogiwara Road, MacLeod Ganjs Einkaufsstrasse.

Where tourists gather, beggars are sure to follow…an Indian beggar, trying to make a living from the charitable visitors of the temple in MacLeod Ganj. | Wo Touristen sind, muss man nicht lange auf Bettler warten…ein indischer Bettler auf seinem Platz vor dem Haupttempel in MacLeod Ganj, wo er auf die Freigibigkeit der Besucher hofft.


Youn girls infestive dress, waiting a little tensely for the start of their dance performance. Today the Dalai Lama will be their audience. | Junge Mädchen in festlicher Kleidung erwarten nervös den Beginn ihres Tanzdarbietung…heute wird der Dalai Lama ihre Schritte sehen.

These monks protect their heads from the sun, while they wait for a white car, carrying the Dalai Lama. | Mönche schützen sich gegen die Sonne während sie auf den Dalai Lama warten, der hier bald in seinem weißen Auto vorbeiziehen wird.

Rioting because of a Movie or How the Wider Sense is Deliberately Lost

The headlines are  probably intentionally misleading. “Muslims riot because of movie”

No, they do not riot because of a movie, but because it is, once again, a final straw that broke all those collective backs. Admittedly, tempers in the Middle East flare a little more easily than their European counterparts, but one bad movie alone is certainly not enough to make a whole nation go bonkers. The riots have other reasons: gross political mismanagement, refusal from the European and American side to help create a strong Muslim government, poverty, the perceived arrogance of the West…

Which leads me to “The Innocence of Muslims” – it is a dreadful parody, lacking wit and substance and a message. The debate should not be about whether there is freedom of speech but about the lack of intelligence within that particular speech. Parody is meant to be sharp and witty, to cut and sting without gross insult. It should make people think about the subject matter or see it, for a moment, loosened from its normal place, made ridiculous in the wider sense of things or even within its very particular universe.

The media reports about the riots and the way they are presented (no background, Muslims are crude and barbarous and so on…) just further serve to cement a ridiculously prejudiced image of the Muslim world. Parody is allowed and is even necessary, but it has to have substance. Muslim verse, Sufi verse for example, is full of a very delicate parody of mankind itself. The man who is tied by chains feels them grow lighter for a moment, but he knows why he is chained and who chained him. He understands the motives of his tormentors and can make fun of them, in his own moment of power. The parody we’re seeing here has no understanding, no sense of fun and no sense of life, either. That something senseless and dumb can have that kind of traction…that is very sad and frightening.

This morning I read a heartfelt plea from a scared young actress who happened to be acting in that movie on Neil Gaiman’s blog – read it…the actors were made to believe they were acting in some kind of fantasy adventure film, which was later overdubbed to become “The Innocence of Muslims”. You can imagine how that young woman feels, I think…