Vor einigen Jahren las ich in einem Magazin oder Buch einen bemerkenswerten Satz. „Es ist schade,“ schrieb der Autor, „dass so viele Menschen hier [es handelte sich um Indien] nur auf der Suche nach sich selbst sind. Es gibt doch so viele interessante Dinge zu sehen. Die sehen die alle nicht.“
Damals, vermutlich noch auf der Suche nach mir selbst, stieß ich mich heftig an dem Satz. Es war doch nicht schlecht nach sich selbst zu suchen und außerdem sieht man da doch so vieles usw. usw. Heute, mit Dreißig, weiß ich dass er recht gehabt hat.
Ich sehe heute viele Menschen, die nach sich selbst suchen und dabei alles andere übersehen. Manchmal macht mich das zornig, manchmal lässt es mich ein wenig verzweifeln. Mit solchen Menschen zu sprechen ist nicht einfach, weil sie auf ihre eigene Reaktion warten anstatt sie geschehen zu lassen. Sie merken immer nur ihre eigene Ansicht und Reaktion auf etwas und spielen sich dann ewig mit dem Gedanken, ob es denn wirklich ihre eigene Reaktion sei, ob sie sich selbst gemäß reagiert haben und so fort.
Vor meinem zweiten Besuch in Indien hatte ich mir überlegt, dass ich selbst wohl das am wenigsten Interessante im ganzen Land sein würde…und ich hatte vollkommen recht. Es gab dort Menschen mit ihren mannigfaltigen Problemen und Hoffnungen, Komplexitäten, die ich mir nicht hätte träumen lassen, Welten um Welten um Welten. Nur, wenn man aufhört sich mit sich selbst zu beschäftigen und mit den ganzen illusorischen Problemen, die einem das Leben (nach dem eigenen Denken) so schwer machen, dann muss man sich den wirklichen Problemen stellen.
Ungerechtigkeit, Dummheit, Gier, Selbstsucht, Machtlosigkeit im Angesicht von furchtbaren Handlungen, Gewalt. Alles das geschieht und ab einem gewissen Punkt wird man sich klar, dass man sich innerhalb dieser Welt zurechtfinden muss und das ohne seine Hoffnung oder den positiven Ausblick zu verlieren oder, schlimmer, ihn zu Klischees verkommen zu lassen.
Vom blinden Optimismus muss man zu einem beweglichen, unbelasteten Denken finden. Die eigenen Sicherheiten muss man leicht und tragbar halten und sie zur Not auch aufgeben können um sich ohne Sicherheiten durchs Leben zu tasten, denn die Augen, die sind ja jetzt offen.
Wenn du auf der Suche nach dir selbst bist – ich glaube nicht, dass du dich irgendwo finden wirst. Du handelst und lebst einfach, bis sich die Frage auflöst. Wenn du kannst, gehe auf eine lange Reise. Nicht deinetwegen, sondern wegen aller Menschen, die du treffen wirst.
Versuche so viele wie möglich zu verstehen und vergiss dich selbst bei jeder Gelegenheit.