Teil Eins gibt es hier
Ich musste also nur warten. Nicht sonderlich lange. Ein Mann sprach mich in einem Internetcafé an. „I have something very good for you. Wait.“ Ein großer, hagerer Kerl in einer dunklen Lederjacke. Sein Haar kurz geschnitten und er trug einen kurz gehaltenen Bart. Seine Augen waren hinter einer großen Sonnebrille kaum zu sehen. Er würde mehr mit mir sprechen, sobald wir beide mit unseren Online Aktivitäten fertig waren.
Ich weiß noch wie ruhig ich war. Ich wusste wie er sein Spiel beginnen würde und ich würde ihn irgendwann abschneiden und sagen, ich hätte kein Interesse an seinen Drogen aber ich brauche jemanden, der mir hilft, die Stadt und einige ihrer Bewohner zu fotografieren.
Genauso machte ich es dann. Er überlegte kurz, sagte dann ich solle ihn in zehn Minuten wieder hier – vor dem Internet Café – treffen und er verschwand in der Menge um einen Telefonanruf zu machen. Sein Handy funktioniere nicht, also ging er eine Telefonkarte kaufen.
Die Sache ist die…es klingt weit zu dramatisch, ihn einen Drogendealer zu nennen. Sein Vater kam aus der Westsahara, dem umkämpften Teil von Marokko. Man nimmt gerne an, wenn jemand ein Teil der kriminellen Welt ist, welche Form die auch immer annimmt, dass er einen bösen oder zumindest betrügerischen Plan hat. Dieser Mann hatte keinen Plan, zumindest keinen auch nur im geringsten bösen.
„Was willst du denn für deine Hilfe haben?“ hatte ich ihn gefragt, wissend wie wichtig es ist sich vor jeglicher Dienstleistung auf den Preis zu einigen.
Er blickte zu Boden, fast betreten, und murmelte etwas darüber wie er über alles glücklich sein würde.
„Was willst du?“ fragte ich noch einmal.
Schlagartig änderte sich seine Stimmung. Voll Stolz und sogar fast anmaßend sagte er, „Ein Flugticket nach Europa.“
Ich musste lachen. „Du weißt, dass ich dir kein Flugticket kaufen kann.“ Ich war erstaunt, wie er seinen Traum entblößte, im seltsamen Vertrauen, dass jemand kommen würde ihn zu erfüllen.
Er kam zurück und zeigte auf einen Mann in einem hellen Hemd. Er winkte ihm und wir schüttelten einander die Hände. Das war der Mann, dem er Rechenschaft schuldete. Er sagte ihm, er würde heute nichts verkaufen, weil er eine andere Arbeit bekommen hatte – mich zu begleiten. Als der Mann gegangen war, sagte er zu mir. „Manchmal, da mache ich schwarzes Geld, heute, da ist es weißes Geld, dank sei Allah.“
„Du solltest versuchen, mehr weißes Geld zu machen. Meinst du nicht?“
„Das ist nicht immer möglich.“ Er blickte sich schnell nach allen Seiten um als wir den Rand der Jemaa el Fnaa entlang wanderten. In Marokko gibt es eine spezielle Touristen Polizei, die sicher stellen soll, dass illegale Guides wie er kein Geschäft mit anhnungslosen Touristen machen. Sollten sie ihn erwischen, würde er wohl eine Strafe angehängt bekommen. „Gehen wir hier hinüber – ich kenne dort jemanden. Ein guter Ort.“
Er klopfte an einer weißen Tür in einer leeren Seitengasse. Irgendetwas war mit einem Stift an die Seite der Tür geschrieben, aber bevor ich es entziffern konnte, machte ein lachender junger Mann die Tür auf und bat uns hinein. Er führte uns in einen bunt eingerichteten Raum mit Polstern auf dem Boden und auf Bänken, die entlang der Wände angeordnet waren. Ein Fernseher stand erhöht in einem Eck, ein Computer in einem anderen. Prospekte lagen auf einem niedrigen Tisch. Ein europäisch aussehender Mann saß auf einem der Polster.
Mein Guide und der Mann, der uns hereingelassen hatte, verschwanden kurz und ich plauderte mit dem anderen Mann. Ein Kanadier, der nach der offenen, leicht lesbaren Art der Marokkaner unsinnig verschlossen wirkte. Er fragte mich, ob ich auch hier bleiben würde.
„Was?“
„Im Guesthouse?“
„Oh…nein, ich bin nur kurz aus Neugierde hier.“
Wir reden noch über touristische Dinge, die man in Marrakesch und der unmittelbaren Umgebung machen kann. Er wartet auf Salesh, den Betreiber des Guesthouses, der ihn auf eine Tour mitnimmt. Salesh und mein Guide kommen nach ein paar Minuten wieder zurück.
„Das sind meine Bilder,“ sagt mein Guide, leicht unsicher, und zeigt auf ein paar Leinwände, die an der Wand hängen und stehen. Neugierig beginne ich sie zu studieren. „Ich bin ein Künstler. Sie stehen zum Verkauf.“
Wieder beeindruckt mich das Selbstvertrauen des Mannes, denn die Bilder die dort an der Wand gesammelt sind, sind freundlich ausgedrückt so furchtbar, das man einen nach bestimmten Spezifikationen blinden Käufer dafür finden müsste. Mich packt ein seltsames Mitleid für den Mann, als ich eine verwischte Himmel und Meer Studie in Öl näher betrachte. Es mangelt ihm nicht am Wunsch etwas zu erreichen, das ist sicher und das ist auch imponierend, aber die Bilder zu betrachten macht mich einfach nur traurig für ihn.
Ich sage nicht viel zu den Bildern, da hat er noch eine Idee und nimmt eine lederne Tasche von einem Ständer in der Ecke des Raumes. Er macht auch Taschen aus Leder, gut um Dinge darin zu tragen.
Ich sehe schön langsam wo das hinführt. Keine heruntergekommenen Opiumschuppen oder geheime Deals, kein Fenster in eine Unterwelt, sondern nur etwas ganz Banales. Aber draußen gibt es eine volle, interessante Welt. „Ich habe kein Interesse irgend etwas zu kaufen, tut mir leid. Gehen wir fotografieren.“